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Venice `23 Competition: „The Promised Land“

Venice `23 Competition: „The Promised Land“

Wie so viele Beiträge des gesellschaftskritischen Geschichtskinos ist der Blick auf die Kausalitäten von Klassenkonflikten in Nikolaj Arcels Historienstück beschränkt durch privilegierte Scheuklappen. Dadurch bleibt der Existenzkampf der untersten Schichten, die patriarchalische, soziale oder rassistische Stigmatisierung zu Parias gemacht hat, nur ein Nebenschauplatz der bourgoisen Behauptung gegen eine ausbeuterische Adelselite. Statt gegen sie, kämpfen diejenigen mit Aufstiegschancen wie der Hauptcharakter (ein zuverlässiger Mads Mikkelsen) lieber für ihren eigenen Platz im Machtsystem, das nie hinterfragt wird. 

Diese exemplarische Position des als unehelicher Sohn eines Gutsherren um seinen Erbanspruch betrogenen Protagonisten klingt im passenderen Originaltitel an. Doch der Zwiespalt zwischen Assimilation und Revolution bleibt eine der vernachlässigten Facetten des soziologischen Schlachtfelds, das die karge Kostümromanze beackert. Selbiges ist durchaus wörtlich zu nehmen in der in gediegene Bilder gekleideten Geschichte der Erschließung Jütlands unwirtlicher Heide. Für die Bewirtschaftung des unfruchtbaren Bodens versprechen die königlichen Amtsherren dem alternden General Ludvig Kahlen Adelsehren und Anerkennung. 

Stur und stoisch ringt der Protagonist mit dem rauen Naturschauplatz, den der psychopathische Großgrundbesitzer Schinkel (Simon Bennebjerg) als sein Eigentum betrachtet. Als er Kahlen nicht zum Aufgeben bestechen kann, beginnt er eine Privatfehde mit dem Kartoffelbauern. Dessen Perspektive übernimmt die epische Erzählung, deren von Ida Jessen verfasste Romanvorlage sich ebenso auf Kahlens Haushälterin Ann Barbara (Amanda Collin) konzentrierte. Das dramaturgische Umgewichtung konterkariert die oberflächliche Kritik an tradierten Machtstrukturen, die somit auf inszenatorischer Ebene bestätigt werden. 

Mit dem zweiten Wettbewerbsfilm, in dem dieses Jahr in Venedig Kartoffeln eine Schlüsselrolle spielen, beweist Nikolaj Arcel erneut sein Händchen für hintergründige Historienstoffe. Die originelleren Ansätze der Buchvorlage erstickt allerdings eine Neuausrichtung, die den oberflächlich kritisierten Hierarchien zugleich entspringt und zuarbeitet. Die Gleichsetzung verschiedener Ausgrenzungsformen und die Ignoranz gegenüber intersektionaler Diskriminierung manifestieren sich als durchgehende Schwächen des atmosphärisch stimmigen Kostümkinos. Dessen gediegene, doch formalistische Optik und stereotypisierte Figuren werden zum visuellen Spiegel der ideologischen Konventionalität.

  • OT: Bastarden 
  • Director: Nikolaj Arcel
  • Screenplay: Anders Thomas Jensen, Nikolaj Arcel, Ida Jessen
  • Country: Denmark
  • Year: 2023
  • Running Time: 127 min. 
  • Cast: Mads Mikkelsen, Amanda Collin, Gustav Lindh, Kristine Kujath Thorp, Søren Malling, Magnus Krepper, Lise Risom Olsen, Jakob Ulrik Lohmann, Thomas W. Gabrielsson, Felix Kramer, Morten Hee Andersen, Simon Bennebjerg, Martin Feifel, Patricia Slauf, Hagberg Melina, Laura Bilgrau Eskild-Jensen
  • Image © Plaion Pictures
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