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“Women Talking” fails to speak up about its most urgent issues

“Women Talking” fails to speak up about its most urgent issues

Mit seinem dramaturgischen Fokus auf gewichtigen Dialogen, der bühnenhaften Kulisse, dem überschaubaren Ensemble, der Beschränkung auf einen Hauptschauplatz und nicht zuletzt der stilisierten Inszenierung gleicht Sarah Polleys philosophisches Figurenstück mehr der Adaption eines Theatertextes als der eines Romans. Noch weniger eines reale Begebenheiten aufarbeitenden wie Miriam Toews Buchvorlage, deren Authentizität noch verstärkt wird durch den biografischen Bezug der Autorin zur Mennoniten-Gemeinde. In einer solchen ultrakonservativen Kolonie entfaltet sich die Debatte der fast ausschließlich weiblichen Charaktere.

Was sie eint, ist weniger der Glaube als die Erfahrung sexueller Gewalt durch die Männer; eine konkrete Gruppe teils pädophiler Täter, die ihre Opfer mit Giftstoffen betäubt haben, im weiteren Sinne jedoch alle Männer der Kolonie, deren patriarchalische Strukturen die Verbrechen befördert und gedeckt haben. Nun arbeite das System erneut gegen die Opfer, die vergeben sollen – oder in der Hölle schmoren. Ihnen bleiben zwei Tage für eine Entscheidung, deren weitreichende Bedeutung sie ängstigt und verunsichert.

Während manche wie Ona (Rooney Mara) und Agata (Judith Ivey) die Gemeinde verlassen wollen, wollen andere wie Salome (Claire Foy) Rache oder alles totschweigen wie Janz (Frances McDormand). Die metaphorische Ebene der Situation ist so überdeutlich, dass deren Betonung durch die Regisseurin und Drehbuchautorin oftmals ins Plakative gleitet. Die beständig wiederholten Argumente nutzen sich genauso ab wie die ausgebleichte Southern-Gothic-Ästhetik. Deren subtile Atmosphäre des Pathologischen und Perversen wird mit den komplexeren Aspekten der Story unterdrückt. 

Düster, desillusioniert und dialogschwer, ist Sarah Polleys allegorische Adaption Miriam Toews gleichnamigen Romans zugleich fesselnd in seiner schauspielerischen Klarheit und frustrierend in seiner symbolischen Simplifizierung des tatsachenbasierten Szenarios. Die blutige Brutalität und moralistische Manipulation des doppeldeutig als solchen definierten „Akt weiblicher Einbildung“ verlieren sich in albtraumhaften Andeutungen. Eindrücklicher als die Debatte um das Hinausdenken über einen systematisch verengten Horizont sind die unausgesprochenen Zweifel am eigenen Glaubensgefängnis, deren Resonanz ein weiterer fantastischer Soundtrack Hildur Guðnadóttirs verstärkt. 

  • OT: Women Talking
  • Director: Sarah Polley
  • Screenplay: Sarah Polley, Miriam Toews
  • Country: USA
  • Year: 2022
  • Running Time: 104 min. 
  • Cast: Jessie Buckley, Ben Whishaw, Rooney Mara, Claire Foy, Frances McDormand, Judith Ivey, Sheila McCarthy, Abigail Winter, Kira Guloien, Emily Mitchell, Will Bowes, Michelle McLeod, Shayla Brown, Nathaniel McParland, Eli Ham, Kate Hallett
  • Release date: 09.02.2023
  • Image © Universal
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