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“Munch”: All that’s stunning about Munch – it’s not in here

“Munch”: All that’s stunning about Munch – it’s not in here

Der abstrakte Ansatz, der Norwegens ikonischen Maler durch vier in Stil, Story und Schauspielbesetzung demonstrativ diskrepanten Segmenten darzustellen, ist nicht nur ein ungelenker Versuch, expressionistischer oder buchstäblich mehr Munch als Munch, zu sein. Den verflochtenen Verlauf und die symbolhafte Struktur der von vier verschiedenen Drehbuchschreibenden verfassten Episoden macht Henrik Martin Dahlsbakken zum kinematischen Gleichnis des zerrissenen Wesens des Titelcharakters und mehr noch zur dankbaren Rechtfertigung der dramaturgischen Unebenheiten des psychologisierenden Persönlichkeitsprismas. 

Selbiges vergräbt unter der eigenen experimentellen Exaltiertheit paradoxerweise den Charakter des prominenten Protagonisten, der einmal als unglücklich verliebter 21-Jähriger (Alfred Ekker Strande) nach einem Paris-Aufenthalt mit seiner skandinavischen Heimat fremdelt, knapp zehn Jahre später als aufstrebender Künstler (Mattis Herman Nyquist) in Berlin mit Strindberg (Lisa Carlehed) konversiert und mit der Absage seiner Ausstellung hadert. Mit 45 Jahren sitzt der Alkohol und neurotischen Episoden verfallene Maler (Ola G. Furuseth) im Sanatorium.

Im letzte (Lebens)Abschnitt schließlich fürchtet der greise Maler (Anne Krigsvoll) kurz vor seinem Tod unter der Nazi-Besetzung um seine Werke. Innovativer als die darstellerische Diversifikation des Hauptcharakters in den in Tempo und Stimmung kontrastierenden Handlungssträngen sind deren atmosphärische Analogien zu seinen Stilphasen. Deren Übersetzung in Szenenbilder und Gemütsverfassungen ist zwar nicht frei von Klischees, die historische Fakten ignorieren, aber wie der Verzicht auf biografische Belehrungen ein erfrischender Bruch mit narrativer Konformität.

Was Henrik Martin Dahlsbakkens cineastische Collage mit Edvard Munch verbindet, sind weniger die plakativ „schizophrene“ Struktur als die erratische Eigenwilligkeit. Diese stellt nach expressionistischem Prinzip die emotionale Ebene über die äußerliche Form. Jene ist mal geisterhafter Impressionismus, mal banges Chiaroscuro zwischen alkoholisiertem Delirium und Depression, modernistische Seelenlandschaft oder eremitische Enklave. Die in schauspielerischer und dramaturgischer Qualität changierenden Facetten nähern sich gerade in ihrer Unvereinbarkeit der unter kreativen Konzepten begrabenen Künstlerpersönlichkeit.

  • OT: Munch 
  • Director: Henrik Martin Dahlsbakken
  • Screenplay: Mattis Herman Nyquist, Henrik Martin Dahlsbakken, Fredrik Høyer, Gine Cornelia Pedersen, Eivind Sæther
  • Country: Norway
  • Year: 2023
  • Running Time: 104 min. 
  • Cast: Alfred Ekker Strande, Mattis Herman Nyquist, Ola G. Furuseth, Anne Krigsvoll, Jesper Christensen, Anders Baasmo Christiansen, Lisa Carlehed, Thea Lambrechts Vaulen, Ida Elise Broch, Gine Cornelia Pedersen, Hanna-Maria Grønneberg, Hildegun Riise, Per Frisch, Gjertrud Jynge, Ylva Fuglerud, Nader Khademi
  • Image © Splendid 
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