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Cannes `23 Competition: „Youth“

Cannes `23 Competition: „Youth“

Der mehrdeutige Titel mit seinem impliziten Versprechen von Unbeschwertheit, Hoffnung und Erneuerung klingt fast zynisch angesichts der pessimistischen Perspektivlosigkeit der jungen Menschen im Mittelpunkt Wang Bings desillusionierter Doku. Sie ist mit Kaouther Ben Hanias Four Daughters nach Fahrenheit 9/11 und Waltz with Bashir erst der dritte Dokumentarbeitrag im Wettbewerb von Cannes, wo die Thematik ökonomischer Ausweglosigkeit und Ausbeutung denkbar deplatziert scheint. Dass Wenige bereit sind, die Pressevorführung zu Ende durchzustehen, unterstreicht die gewohnheitsmäßige Gleichgültigkeit gegenüber den Zuständen, die der Regisseur über fünf Jahren aus nächster Nähe einfängt. Die zermürbende Wiederholung von Situationen, Szenen und Schicksalen ist dabei Teil des Konzepts. 

Das Gleiche gilt für die zermürbende Laufzeit, die noch moderat ist im Vergleich zu Bings Neun-Stunden-Monument West of the Tracks. Die nahezu vier Stunden sind erfüllt vom rasenden Rattern der Nähmaschinen, an denen die Jugendlichen, die aus der umliegenden Provinz in Chinas Bekleidungsindustrie-Zentrum Zhili strömt, in menschenunwürdigen Marathon-Schichten schuften. Das Gehalt reicht für einen Platz in einer der schäbigen Unterkünfte mit Gemeinschaftsbad. In raren unbeschwerten Momenten erinnert die Stimmung an ein Jugendlager, wo die meisten der näher vorgestellten Charaktere auch eher hingehören als in eine Fabrik. Deren profitfixierte Leitung ist ein Produkt desselben unbarmherzigen Systems, das die kommenden Generationen verschlingt. 

Die gewollte Gleichförmigkeit des ausbeuterischen Arbeitsalltags, dessen unermüdlichen und unerbittlichen Rhythmus Wang Bing in über 200 Minuten einfängt, potenziert indirekt den entmenschlichenden Blick auf die Protagonisten. Deren Individualität verliert sich in den exemplarischen Episoden, die keine der darin angerissenen Geschichten abschließen lassen. Die inszenatorische Distanz zum Geschehen provoziert eine Atmosphäre apathischer Akzeptanz: ein deprimierendes Desinteresse, das die Leinwand durchdringt. 

  • OT: Qingchun (Youth (Spring))
  • Director: Wang Bing
  • Screenplay: Wang Bing
  • Country: China, France, Luxembourg, Netherlands
  • Year: 2023
  • Running Time: 212 min. 
  • Cast: – 
  • Image © Les Acacias
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