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Berlinale ’19: “For My Father’s Kingdom” zeigt Spätschäden von Kolonialismus & Christianisierung

Berlinale ’19: “For My Father’s Kingdom” zeigt Spätschäden von Kolonialismus & Christianisierung

Gott rechnet mit deinem Beitrag. „Rechnen“ meint nicht vertrauen und Gläubigkeit ist kein Beitrag. Keiner jedenfalls, der sich ins Spendenregister eintragen lässt. Dort stehen die frommen Gaben aufgelistet, damit jeder weiß, wie viel seine Brüder und Schwestern beigetragen haben. Wer will schon vor aller und Gottes Auge als Geizhals dastehen? Saia Mafile’o auf keinen Fall, aber dafür muss der gebürtige Tongaer einen hohen Preis zahlen… Was nach Satire über klerikale Gier und die Auswirkungen christlicher Indoktrinierung klingt, ist ein Dokumentarfilm und unfreiwillige Realsatire. 

Die tragikomischen Zwischentöne übersieht Vea Mafile’o vor lauter Familien- und Geldfragen. Saia ist der Vater der neuseeländischen Regisseurin. Ihr persönliches Langfilmdebüt schildert die emotionale Zerrissenheit, Gewissensbisse und erdrückenden Geldsorgen des Protagonisten, der seit Jahrzehnten in Neuseeland lebt. Doch Tongas Kirche hat ihre Schäfchen im Blick und der Hauptcharakter hält ihm nicht stand: „Der Druck kommt nicht von der Kirche, er kommt von der Gemeinde“. Spendensammlung ist dort ein Wettbewerb; ein Begriff, den die erwachsenen Kinder mehrfach angesichts der bizarren monetären Prozeduren verwenden. 

Die Kirche fordert nicht nur Beiträge von den Mitgliedern, sondern beordert sie zur Spenden-Akquise. Obendrauf kommen festliche Veranstaltungen, bei denen ebenfalls Profit eingestrichen wird. Kirchenanteil: 100 Prozent. Selbst die oft beträchtlichen Ausgaben der Mitwirkenden werden nicht übernommen. Gott wird sie entlohnen – später im Himmelreich. Von dem erzählt Saia wehmütig, als könne er kaum erwarten, dass der irdische Stress endet. Weil sein Teilzeitjob-Verdienst nicht reicht, zahlt die Familie drauf – im doppelten Sinne, denn Mehrausgaben strapazieren das Verhältnis ebenso wie Saias schwindende Gesundheit. 

Es ginge um Opfer, sagt er fatalistisch, obwohl die sozialwirtschaftlichen Auswirkungen des klerikalen Kommerz ihm nicht entgehen. Die meisten Familien investieren ihr komplettes Vermögen in die Kirche und üppige Gelage mit Anwesenheitspflicht. Bei denen stapeln sich Spanferkel und ganze Ochsen auf Tischen, die unter Tortentürmen ächzen. Die Gesundheitsschädlichkeit der regelmäßigen Fressorgien ist nicht zu übersehen. Neben Kontostand, Gewissen und Familienleben ruiniert der Kircheneinfluss auch die Ernährung. Die adipösen Gäste wirken, als stünden sie mit einem Bein im Grab – oder näher bei Gott.

Das dokumentarische Material, das Vea Mafile’o und Jeremiah Tauamiti im Familienkreis zusammentragen, ist geschaffen für einen filmischen Weckruf gegen die systematische Ausbeutung von Tongas Kirchenmitgliedern. Doch soweit geht die Regisseurin nie. Ihre Motivation ist nicht Systemkritik, sondern Ratlosigkeit in einem unauflösbaren familiären Dilemma. Diese Zurückhaltung macht die Amateurinszenierung paradoxerweise zu einem umso authentischeren Zeugnis religiöser Verblendung sowie der Spätfolgen von Kolonialisierung und christlicher Doktrin.

  • OT: For My Father’s Kingdom
  • Regie: Vea Mafile’o, Jeremiah Tauamiti
  • Drehbuch: Vea Mafile’o, Jeremiah Tauamiti
  • Produktionsland: Neuseeland
  • Jahr: 2019
  • Laufzeit: 97 min. 
  • Beitragsbild © Berlinale 
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