#movie #review #cinema #critic #film #festival #podcast

Chang-dong Lee studiert Trauer und Isolation in “Secret Sunshine”

Chang-dong Lee studiert Trauer und Isolation in “Secret Sunshine”

Das Telefon klingelt. Am anderen Ende spricht der Mörder von Shin-aes Kind. War der Anruf wirklich oder in ihrem Kopf? Im Dunkeln beginnt sie sich zu fürchten, schaltet in der ganzen Wohnung das Licht ein. Anrufe beantwortet sie schließlich nicht mehr. Stattdessen schält sie Obst. Als sie den Blick senkt, ist ihr Arm blutig. Verstört läuft sie auf die Straße. Die junge Frau ist verrückt geworden. Die psychische Isolation hat ihr den Verstand geraubt. Schleichend kommt die Vereinsamung und mit ihr der Wahnsinn über die Figuren in Chang-dong Lees beklemmende Liaison aus Sozialsatire und Psychogramm.

Secret Sunshine bedeutet der Name des Orts. Er führt die Protagonistin (Jeon Do-yeon) in eine Dunkelheit, die erträglicher ist als die trügerische menschliche Wärme. Nach dem Tod ihres Mannes zieht sie in dessen provinziellen Heimatort. Was ein Neuanfang sein soll, ist tatsächlich ein Rückschritt in der Vergangenheit. Angenehm war diese nicht und die Zukunft ist nicht rosiger. Die Anwohner missbilligen die Zugezogene: als Alleinstehende, als Städterin, als Fremde. Hinter der flachen Freundlichkeit schwelt der Argwohn. Die emotionale Distanz klafft gleich einer Wunde zwischen den Charakteren. Der Titelort steht symptomatisch für eine Gesellschaft reguliert von unausgesprochenen Verhaltensregeln.

Mit ihrer einzigen Bezugsperson verliert die Hauptfigur den letzten Halt in ihrer deprimierenden Existenz. Chang-dong Lee zeigt die grausame Banalität des Schreckens. Weder kurzes rebellische Aufbäumen, noch Normbrüche eröffnen einen Ausweg. Sanfte Bilder von verdächtiger Ruhe fügt der Regisseur und Drehbuchautor behutsam zur Charakterstudie einer in ihrem repressiven Umfeld erstickenden Frau. Deren Darstellerin wurde für ihr nuanciertes Porträt in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Das finale Bild verweist mit einer brutalen Metapher auf das, was Shin-ae bevorsteht. Gemächlich, bruchstückhaft erschließt sich, wie niederschmetternd nicht nur die Geschichte ist, sondern die Realität, die sie spiegelt.

  • OT: Milyang
  • Regie: Chang-dong Lee
  • Drehbuch: Chang-dong Lee
  • Produktionsland: Südkorea
  • Jahr: 2007
  • Laufzeit: 142 min.
  • Cast: Jeon Do-yeon, Song Kang-ho, Jo Yeong-jein, Kim Mi-kyun
  • Kinostart: 16.04.2009
  • Beitragsbild © Rapid Eye Movies