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“Kirche und Heilige, das finde ich echt gut” – Interview mit Marcus H. Rosenmüller

“Kirche und Heilige, das finde ich echt gut” – Interview mit Marcus H. Rosenmüller

Nachdem sein Hippie-Heimatfilm Sommer in Orange 1980 spielte und der Schausteller-Schwank Sommer der Gaukler um 1780, ist Marcus H. Rosenmüller mit Wer‘s glaubt wird selig in der Gegenwart angekommen. Nur in der Dorfkulisse und süddeutschen Landen ist der Filmemacher weiterhin zu Hause, real und in seiner Heiligen-Posse. Darin will Christian Ulmen Schwiegermutter Daisy als Touristenattraktion heilig sprechen lassen. Sein Regisseur Rosenmüller sprach über biblische, weltliche und filmische Vorbilder und Hau-drauf-Humor.

Glaube versetzt in Ihrem Film Berge, genauer: die Schneegrenze. Denken Sie, Glaube nützt oder soll der Zuschauer zum Filmende denken: Wer‘s glaubt wird selig?

Letzteres: wer‘s glaubt wird selig. Ich glaub, dass die göttliche Instanz, an die ich durchaus glaube, sich nicht damit beschäftigt, dass sie dem, der besonders gut glaubt, Leckerlis hinschmeißt. Von dem her ist es so, dass ich insgesamt an Wunder glaub und schon in unserer Existenz ein großes Wunder sehe, aber nicht an irgendwelche spektakulären Wunder glaube.

Trotz scheinbarer Ironisierung praktizierter Religion erfüllt sich letztendlich durch sie das Wunder des Ortes und das Glück der Charaktere, was an sich irreal ist.

Naja, sie wird ja nicht heiliggesprochen, die Daisy. Also, dieses Unterfangen, dass es ein Wallfahrtsort wird …

Aber, dass das Paar sich wieder findet, die schnelle Heilung der Unfälle, das sind doch einige Sachen, die nicht sein könnten, ohne dass eine höhere Hand wirkt.

Ja, aber da ist die Kritik offensichtlich, dass ich es Klamauk finde, aber auch nicht bitterböse. Kirche und Heilige, das finde ich echt gut. Dass man sagt: Dieser Mensch hat Leiden auf sich genommen, hat nicht sein eigenes Glück über alles gestellt, sondern das Glück der Gemeinschaft. Man hat Vorbilder. Dann kommt aber das Regelwerk und gegen das Regelwerk geht die Kritik. „Und jetzt muss man dem noch Wunder hinzudichten.“ Dieses Wunder hinzudichten habe ich vollkommen überspitzt. Da nehme ich das schon auf‘s Korn. Ich hoffe, auf so ein Korn, wo die ein bisserl mitlachen können. Das ist meine Kritik: mit Spaß an die Sache herangehen, weil die Wunder auf Befehl nicht immer funktionieren.

War ein Heiliger für Sie Vorbild oder können Sie sich mit einem identifizieren?

Ja, Jesus würde ich sagen. Jesus ist nicht heiliggesprochen worden, oder? (Lacht) Ist kein Heiliger, aber das ist für mich so ein Vorbild. Mutter Theresa ist jetzt seliggesprochen worden und da denk ich schon, wie sich die eingesetzt hat. Der muss man jetzt nicht noch ein Wunder andichten. Das ist, was der Papst dann auch sagt. Es soll nicht die Zaubereien im Mittelpunkt stehen. Der Mensch muss es sein, das Leben und das Wirken.

Das Klerikale könnte eine säkulare Tendenz vertragen?

Das mathematische Regelwerk sollte weg. Es war ein Aspekt von mir, dass ich erst im Nachhinein überlegt hab, wie ist das: Wunder und der religiöse Aspekt? Das hat mich beim ersten Lesen nicht so interessiert. Dann kam das Gespräch zwischen Georg und Papst. Das fand ich interessant, dass so ein wichtiger Kern drin war. Von dem her war es für mich der Rettungsanker, dass ein anderes Thema noch behandelt wurde.

Sie nannten den Humor Klamauk. Liegt Ihnen physische Komik mehr oder Dialogwitz?

Ich mag jede Art von Filmen gern machen. Der noch größere Fan bin ich, wenn‘s so Richtung Slapstick geht. Charlie Chaplin oder Tati. Das ist nur schwer toll zu machen, weil das großer Aufwand ist, auch geldmäßig.

Wobei Sie allerdings eine sehr rabiate Note anschlagen. Mögen Sie das Zynische sehr?

Nee, zynisch nicht.

Oder die Schmerzgrenze des Zuschauers auszutesten? Worüber kann noch gelacht werden?

Das will ich nicht. Ich hab das im Bauchgefühl. Ich hab nicht im Kopf: Jetzt gehen wir so weit wie‘s geht, sondern spüre den Schmerz und das Lachen, aber es nicht Kalkül.

Aber auch in „Sommer in Orange“ gipfelt der Witz in einer Schlägerei und in „Sommer der Gaukler“ Schmerzen, sich verletzen…

Das darf ich im Film. Das ist Stan und Olli. Das ist Jerry Lewis. Das sind Vorbilder, die ich hatte, immer schon. Es stimmt, ich denke da nie an Verletze oder Schmerzgrenze. Da hab ich schon Lust dran, muss ich gestehen. Ich versuch‘ auch bei Sachen in Drehbüchern, die verbal gelöst sind, mir zu überlegen, wie können wir das in eine Aktionsszene übertragen. Ich versuche auch selber zu produzieren, weil du immer angehalten wirst nicht zu g´spinnert zu werden und ich liebe es. (Verleih-Vertreterin unterbricht) Eine Frage hattest Du noch.

Nur nach dem nächsten Projekt.

Da will ich Biografie. Mein erster nicht-bayerischer Film über Bernd Trautmann, einen Fußballerhelden in England, der Kriegsgefangener war und dann dort die Herzen erobert hat.

Wieder lustig?

Nee.

Todernst?

Todernst – fast.

Beitragsbild © Constantin