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Andrew Niccols “The Host” inszeniert Stephenie Meyers Roman als Sekten-Soap

Andrew Niccols “The Host” inszeniert Stephenie Meyers Roman als Sekten-Soap

Ich beiße die Zähne zusammen, bevor ich mich noch weiter erniedrigen kann“, denkt die junge Melanie Stryder in der Leseprobe von The Host, die es zur Pressevorführung großzügigerweise dazu gab. Der Auszug aus Stephenie Meyers Romanvorlage war gnädig kurz. Anders Andrew Niccols erschöpfende Kinoadaption der jüngsten Sekten-Soap-Opera der Twilight-Autorin. Sie verkündete bereits Pläne für weitere Bände, die wohl unweigerlich auf der Leinwand endverwertet werden. Eine noch unerfreulichere Vorstellung als die filmische, die das Glaubensstatut auf der Leinwand abgibt.

In der seichten Psycho-Parabel erkennt die in naher Zukunft auf der von Aliens beherrschten Erde lebende Melanie, der zu Beginn eine der sogenannten Seelen zwangseingepflanzt wird: „Ich sollte mir jetzt sofort die Zunge abbeißen, bevor sie noch mehr kaputt macht.“ Leider tut Saoirse Ronans Figur das genaue Gegenteil. Sie redet andauernd, entweder mit der „Sucherin“ (Diane Kruger), die neueingetroffenen Seelen ihre Mission erteilt, mit Melanies Onkel Jebediah (William Hurt), Freund Jared (Max Irons), Tante Magnolia (Frances Fisher), den letzten freidenkenden Menschen, die sie aufspüren soll, oder mit sich. Letztes ist kein eigentliches Selbstgespräch, eher eine mürrische Kommentarspur von Melanies Persönlichkeit, die gegen die Fremdherrscherin im eigenen Körper ankämpft. Bis Melanie und mit ihr das Kinopublikum eines Besseren belehrt wird. Denn The Host ist, wie wenn Donald Sutherland in Invasion of the Body Snatchers die außerirdischen Samen in seinem Vorgarten säen würde, oder Sigourney Weaver, als das Alien John Hurts Brustkorb knackt, sagen würde: „Das meint es nicht böse. Behalten wir es doch.“, oder Keanu Reeves angesichts der Matrix schmachtete: „Ein wundervolles System! Unsere Welt war nie vollkommener.

Letztes ist der erste Satz Melanies. Das Unheimlichste daran ist, das Meyer ihn ernst meint. Die Heldin und Hauptfigur ihrer Sci-Fi-Schnulze heißt nicht Melanie, sondern Wanda. So tauft Onkel Jeb warmherzig die astrale Schmarotzerin im Körper seiner Nichte. Deren ins mentale Aus gedrängtes Wesen ist verantwortlich für die kleinen Aussetzer Wandas, die abwechselnd mit Jared und Ian (Jake Abel) knutscht. Ja, selbst auf einer von Weltallparasiten regierten Erde in einer verdächtig an Utah erinnernden Wüste in einem verdächtig an Pappmaché erinnernden Höhlenversteck bei den verdächtig an Sektenfanatiker erinnernden Bewohnern sind Ort und Zeit perfekt für eine emotional voll aufwühlende, aber sittlich untadelige Dreiecksbeziehung zwischen einer egomanischen Jugendlichen und zwei faden Posterboys. Da zwei Seelen, ach, in ihrer Brust wohnen, muss dieses mal keiner bei Meyer den Schwanz einziehen wie in Twilight Werwolf Jacob. Moment, dürfen bei Mormonen nicht nur Männer mehrfach heiraten? 

Stimmt! Daher findet Meyer einen Handlungspfad, der ihr patriarchalisches Gesellschaftsideal stützt und Sex überflüssig macht, selbst zwecks Vermehrung. Die geschieht durch die Auferstehung der Toten. Zombie-Horror? Ja aber alles jugendfrei: Wiederbelebung fast Toter mit „Seelen“. Wie es der Titelsong formuliert: „ This is it: The Apocalypse“. Das Paradebeispiel Melanie/ Wanda zeigt die Vollendung der von Aufmüpfigkeit und Eifersucht getriebenen Menschen, die für Heiligen Geister den titelgebenden Wirtskörper abgeben. 

Denn der natürliche Mensch ist ein Feind Gottes und wird es ewiglich sein, es sei denn er ergibt sich dem Locken des Heiligen Geists und entsagt des natürlichen Menschen und wird ein Kind, unterwürfig, demütig, bescheiden, geduldig und voller Liebe.

Buch Mosiah, Buch Mormon

Diese Beschreibung von Melanies Wandlung liefert keiner der Charaktere, sondern ein König Benjamin im Buch Mosiah. Das ist Teil des Buch Mormon und das Buch Mormon augenscheinlich Teil des Drehbuchs. Wanda paraphrasiert, die Menschheit würde „nur zum Allgemeinwohl“ zwangsbeseelt: „Ihr habt sie immer als den Feind betrachtet. Das Geheimnis ist, man fängt sie mit Liebe.“ Mit diesem Lockmittel geht auch die doktrinäre Invasionsromanze auf Seelenfang – im doppelten Sinne. Hier sollen nicht bloß Zuschauer_innen geangelt werden, sondern Glaubensjünger_innen. 

  • OT: The Host
  • Regie: Andrew Niccol
  • Drehbuch: Andrew Niccol, Stephenie Meyer
  • Produktionsland: USA
  • Jahr: 2013
  • Laufzeit: 125 min.
  • Cast: Saoirse Ronan, Diane Kruger, Jake Abel, William Hurt, Frances Fisher, Max Irons, Chandler Canterbury, Boyd Holbrook
  • Kinostart: 13.06.2013
  • Beitragsbild © Concorde
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