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Enervierende Ellipse: Berlinale Kritik zu “Invasion”

Enervierende Ellipse: Berlinale Kritik zu “Invasion”

Alles ist Scharade in Shahram Mokris klobiger Allegorie einer Gesellschaft, gefangen in zwanghafter Wiederholung. Das Prozedere, das in dem von Nebel und matter Kunstbeleuchtung in bedrückendes Halbdunkel getauchten Sportstadion ein ums andere Mal durchgegangen wird, ist eine multilaterale Metapher für die Orientierungslosigkeit einer disparaten Gesellschaft, die ideologische Restriktion eines Staatssystems und die Befindlichkeiten des Individuums unter dem Eindruck dieser äußeren Faktoren. Die Einzelnen sind kaum mehr als Bauern auf einem Schachbrett. Ihr Eigeninteresse und in weiterem Sinne ihr Selbst-Bewusstsein sind unauflöslich an das der Gruppe gekettet. Einer der Spieler, deren Teamzugehörigkeit Tattoos und Lederkluft markieren, ist ein Mörder. Die Polizei ist vor Ort und Initiator der Nachstellung des Tathergangs, die den Schuldigen überführen soll.

Vielleicht ist die Taktik der Ermittler auch eine ausgeklügelte Methode psychischer Folter. Beim Publikum verfehlt die frustrierende Sinnlosigkeit des kriminalistischen Theaters jedenfalls nicht ihre Wirkung. Charaktere, deren Sympathien, Motive und Absichten ständig wechseln, streifen durch dreckige Gänge und lungern auf einem Spielfeld, auf das nie die Sonne fällt. Wie oft sie die Tat schon nachgestellt haben, ist zu Beginn unklar. Wie lange sie das Ganze noch wiederholen müssen ebenfalls. Die Abstraktion der Geschehnisse hebelt Spannung und Anteilnahme von Anfang an aus. Und gelacht werden darf hier schon gar nicht. Dafür sind selbst die verstiegensten Ideen zu gekünstelt umgesetzt. Das Mordopfer hatte eine Zwillingsschwester (Elaheh Bakhshi) mit einer Vorliebe für Bluttrinken, der sie ungeniert frönt.

Den Blutdrink reicht ihr ein Spieler in seiner Trinkflasche. Eigenspende. Wie er die abgepumpt hat? Keiner weiß es. Aber hier weiß auch niemand, warum die Spieler sich wie Ausdruckstänzer winden, wieso Leichen nebenbei in Wandschränke gepackt werden und ob die Sportkostüme von den Hell‘s Angels geklaut wurden. Mokri dreht sich aus der enervierenden Verklausulierung einen Strick. Die Schauspieler spielen Spieler, die Schauspieler abgeben müssen, die wiederum Spieler spielen. Aus Sicht der Obrigkeit gibt es keine Individuen, nur austauschbare Bauernopfer. Vielleicht repräsentiert der klaustrophobische Schauplatz den Staat, vielleicht den Geist von der mysteriösen Dunkelheit sprichwörtlich umnachteten Geist der Figuren. Vielleicht sind sie auch alle tot und stecken im Limbo. Danach fühlt sich das überambitionierte Filmexperiment jedenfalls an.

Statt die Handlungsschraube beständig anzudrehen, lässt die experimentelle Parabel sie absichtlich im Leerlauf rotieren. Die vielfältigen politischen und psychologischen Bezüge nehmen dabei nur vage Gestalt an. Letztlich scheitert das Projekt, das seine Protesthaltung quasi als Aushängeschild trägt, an der Kunstlosigkeit des Unterfangens. Verwackelte Kamera, miese Bilder, unklare Dialoge und ein Plot, der über eine skurrile Ausgangsidee nicht hinauskommt.

  • OT: Hojoom
  • Regie: Shahram Mokri
  • Drehbuch: Shahram Mokri
  • Produktionsland: Iran
  • Jahr: 2017
  • Laufzeit: 102 min.
  • Cast: Abed Abest, Elaheh Bakhshi, Babak Karimi, Behzad Dorani, Pedram Sharifi
  • Beitragsbild © Berlinale
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