#movie #review #cinema #critic #film #festival #podcast

Berlinale ’13: “Kalifornia” ohne Juliette Lewis & Brad Pitt

Berlinale ’13: “Kalifornia” ohne Juliette Lewis & Brad Pitt

Er habe einen Entschluss gefasst, bekundet Pavel. „Ich komme. Ich packe meine Sachen und komme.“ Der alte Mann im Zentrum des jungen Stücks Kino, mit dem Laura Mahlberg auf der Berlinale bei Perspektive Deutsches Kino ihre Abschlussarbeit vorlegt, hält sein Wort. Der erste Teil seines Vorhabens ist schnell umgesetzt, denn was es in Pavels beengtem Heim zu Packen gibt, passt in einen Koffer. Mit ihm in der Hand macht er sich an den zweiten. Der dauert schon länger: zwei Tage und eine Nacht für ihn, 27 Minuten für den Zuschauer seiner wunderlichen Wanderschaft. 

Sie führt Protagonist (Pavel Bobrov) und Plot statt an den Wunsch- und Titelort „Kalifornien“ zurück an beier Ausgangspunkt, der zugleich ein mehrfacher Endpunkt ist: des Reisewegs des 71-Jährigen und vermutlich seines Lebenswegs, sicher aber eines Auswegs. Gleich den ziellosen Charakteren, die der gealterte Russe trifft, verläuft seine Existenz im Sand. Sowohl figürlich als auch wortwörtlich in den Dünen einer windigen Küstengegend. Dort steht sein Wohnwagen wie ein betrübliches Erinnerungsstück aus Sonnentagen. Ihnen gilt sein Fernweh, dessen Frustration die Regisseurin durch Requisiten ankündigt. Sie verraten mehr über ihre menschlichen Begleiter, als die von sich erzählen: ein um Anschub bittender Fahrer eines funktionsuntüchtigen Mofas, eine an einer Tankstelle hockende Verkäuferin, ein berufsmäßig die selben Touren fahrender Taxichauffeur (Joel Sanmartin). Fortbewegungsmittel und Zwischenstopps werden in der lakonischen Sozialparabel zu Symbolen des Stagnation. 

Am meisten gilt dies für Pavels Campinganhänger, der den Bewohner im steten Übergangsmodus hält ohne sich vom Fleck zu rühren. Das Kuriosum verdeutlicht den transitorischen Zustand des Heimatlosen, dem die karge Landschaft nicht so fremd ist wie die karge Mentalität. Vor ihr bewahrt Pavel einzig seine pragmatischer Aufbruch ohne jeden Plan, sei es von der Route oder seiner Absicht. Ihr und ihm begegnen Pavels Kurzbekanntschaften nur mit Unverständnis: „Du bist nicht von hier, oder?“, bemerkt eine Kellnerin: „Und was willst du dann hier?“ Eine Antwort für sie hat Pavel so wenig wie für den Taxifahrer, der den Herbergslosen in ein Billighotel bringt. Es ist so tot wie die Bushaltestelle, an der Pavel früher vorbeikommt und womöglich sogar das andere Ende seines Telefons. Dessen Leerzeichen lauscht er zu Filmbeginn nach dem Aufwachen und in den Hörer spricht er seinen verblichenen Unternehmungsgeist. 

Der Ausgangssatz des ergrauten Pilgers ist ein Versprechen, dass er vor allem sich selbst gibt. 

Seine Verwirklichung führt in doppelter Weise zu einer trübsinnigen Ankunft: bei sich selbst und der parodistischen Pointe eine existenzialistischen Skizze, die konturierter ist als manch ausuferndes Leinwandwerk. 

  • Beitragsbild © Berlinale