#movie #review #cinema #critic #film #festival #podcast

“Lola auf der Erbse” dümpelt im Kino vor sich hin

“Lola auf der Erbse” dümpelt im Kino vor sich hin

Lola hat rosa Haare, die sie nicht schneiden will, bis ihr Vater wiederkommt, einen Fleck am Hals, den sie nicht abwäscht, und die Erbse. Auf dem Hausboot wohnt die 11-Jährige (Tabea Hanstein) mit ihrer Mutter Loretta Lachmann (Christiane Paul). Zweite ist fast so flippig wie ihre Tochter, der sie eines Tages ihren neuen Freund Kurt (Tobias Oertel) vorstellt. Darüber ist die eigensinnige Heldin des belehrenden Kinderabenteuers gar nicht begeistert.

Noch weniger angetan ist man von Thomas Heinemanns Verfilmung von Anette Mierswas gleichnamigem Kinderbuch. Die mit ihrer Thematik schwer überforderte Geschichte vom Ein-bisschen-erwachsener-werden kreist um das Geplänkel zwischen Lola, Loretta und dem großkotzigen Unsympath Herr Barkelt (Antoine Monot, Jr., den das Presseheft stolz als „Tech-Nick“ aus der Saturn-Werbung ausweist), der am Liegeplatz der Erbse gern einen Jachthafen sähe. Sorgen machen brauchen sich Mutter und Tochter über ihr Nicht-erwünscht-sein keine. Anders geht es Lolas neuer Klassenkamerad Rebin (Arturo Perera Bigwood), dessen Familie illegale kurdische Einwanderer sind. Während Rebins Vater Tayyip (Ferhat Keskin) schwarz für Herrn Barkelt arbeitet, putzt die Mutter – ebenfalls Schwarzarbeit – im Schulgebäude. Das lässt die als „eine von den Guten“ dargestellte Rektorin Frau Kuhbart (Beles Adam) reichlich zwielichtig dastehen, zumal sie Rebin ohne weiteres in den Unterricht schickt, als er mit seiner Mutter im Sekretariat steht. Ob seine Mutter auch sofort mit ihrem Putz-Job loslegen darf, bleibt offen. Rebin jedenfalls hat zwar keinen Ausweis, keine Krankenversicherung und existiert offiziell nicht einmal, wie man später erfährt – aber, hey, er muss doch was lernen!

Während Rebins Familie im Wald die Abschiebung fürchtet, ärgert sich Lola das Mamis Neuner Vokuhila trägt und wie ein Manta-Fahrer aussieht. Das spannendere Problem ist dabei aus Sicht von Drehbuchautor und Regisseur Heinemann eindeutig Lolas. Sie erzählt mehrfach direkt in die Kamera, was man längst begriffen hat: dass sie ihren Vater will, nicht Kurt. Letzter gewinnt erst Lolas Achtung, als er die Manta-Matte abschneidet und als Tierarzt einen Notfall behandelt: Rebins Mutter. Bis sie gesund ist, schrubbt Rebin die Schulflure. So gutmütig, dass sie Arbeitsausfall verzeihen würden, ist Frau Kuhbart dann wohl doch nicht. Dafür feiert sie schließlich Lolas Geburtstag mit ihr und Rebins Familie. Das mit dem Aufenthaltsstatus, heißt es, kläre die Direktorin, die offenbar einen heißen Draht zur Einwanderungsbehörde hat. Eben muss Rebin sich noch vorm Wachtmeister in die Büsche drücken, im nächsten Moment tanzen alle auf der Erbse. Von wegen, das Boot ist zu klein! Nichtmal, als Loretta alle willkommen heißt und Tayyip seine komplette Bekanntschaft aus dem Wald ruft. Ein Flüchtling kommt selten allein?

Damit niemand Arges denke, führt Herrn Barkelts Gartenfeier mit der plattesten aller Metaphern vor, dass Einklang zwischen bayerischer Blaskapelle und fremdländischer Festmusik herrschen kann. Bei Barkelt arbeitete einst übrigens die „andere Frau“, mit der Papa nach Havanna durchgebrannt ist. Auch eine illegale Einwanderin, die Lolas Vater irgendwie gerettet hat? Vermutlich. Der vermeintlich verantwortungsscheue Papa ist durch die Gründung einer neuen Familie jedenfalls rehabilitiert. Lola sagt, Schwamm drüber, über den Fleck am Hals und Hoffen auf Papa. Kurt hat immerhin coole Geschenke und Lola was gelernt. Genauso das Kinderpublikum: Nur weil man als Einzelkind in den Tag hinein auf einem tollen Hausboot lebt, heißt das nicht, man hätte keine Probleme! Die sind außerdem viel schlimmer als die von irgendwelchen Rebins oder so Leuten ohne Krankenversicherung oder Bleiberecht! Deren Probleme lösen sich nämlich 1. von selber, und 2. weil wir solche Gutmenschen sind und ihnen den Tierarzt vorbeischicken. Erbse gut, alles gut. Bloß der Kinofilm nicht.

  • OT: Lola auf der Erbse
  • Regie: Thomas Heinemann
  • Drehbuch: Thomas Heinemann, Annette Mierswa
  • Produktionsland: Deutschland
  • Jahr: 2014
  • Laufzeit: 89 min.
  • Cast: Antoine Monot jr., Christiane Paul, Olaf Krätke, Peter Fieseler, Tobias Oertel, Berivan Kaya, Beles Adam, Tabea Hanstein
  • Kinostart: 04.09.2014
  • Beitragsbild © Farbfilm