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Cannes `23 Competition: „The Pot-au-feu“

Cannes `23 Competition: „The Pot-au-feu“

Filmfestival, Juliette Binoche zaubert auf der Leinwand kulinarische Köstlichkeiten und Johnny Depp ist – oder war – vor Ort, wenn auch nicht in diesem Wettbewerbsbeitrag – da ist es praktisch unmöglich, nicht an Chocolat zu denken. So abgeschmackt wie Lasse Hallströms zuckerige Romanze ist Anh Hung Trans lukullische Love Story bei weitem nicht. Doch der romantisierende Blick auf Klassenhierarchien, Gender-Rollen, Zeitpolitik und Küchenarbeit im ausgehenden 19. Jahrhundert hat einen bitteren Beigeschmack, den auch Jonathan Ricquebourgs delikate Kamera nicht überdecken.

Eine Reihe unangenehme Untertöne bleiben selbst, wenn man die lose von Marcel Rouffs gleichnamigen Novellen übernommene Handlung als Märchen betrachtet und nicht fragt, von welchem Geld der weltweit gefeierte Gourmet Dodin (Benoît Magimel), seine langjährige Köchin und genügsame Geliebte Eugenie (Binoche) auf einem malerischen Landsitz in der Provinz in den Tag hinein leben, warum das Paar und Dodins Clique alter weißer Herren trotz üppiger Festmahle noch gesund und normalgewichtig sind und wer den Abwasch macht. 

Die papierenen Figuren haben im doppelten Sinne praktisch kein Leben außerhalb der Landhaus-Stil-Küche, wo in rustikalen Riesentöpfen und dekorativen Kupferpfannen Eugenie täglich mehrgängige Dinner zubereitet, und dem Esszimmer, wo Dodin mit seiner Entourage genießt, bevor er als Betthupferl die Köchin vernascht. Während Fleischeslust nur angedeutet wird, schwelgt der Regisseur in verführerischem Food Porn. Liebe geht hier buchstäblich durch den Magen – und der einzige Weg für eine Angestellte vom Herd an den Haustisch durch die Ehe. 

Arbeiterausbeutung, Klassengrenzen und provinzieller Prüderie kennt Anh Hung Trans Küchen-Kitsch-Kosmos ebenso wenig wie Rollenzwänge und Magenschmerzen. Selbst der Tod kommt hier noch sanfter als der dezente Humor und die Zweisamkeit zwischen Köchin und Dienstherr. Beide werden gewohnt geübt gespielt; besonders Juliette Binoche verkörpert feinsinnig die Hingabe zum Handwerk, das die träumerische Inszenierung mit so viel andächtiger Zuneigung betrachtet wie die zu Stillleben arrangierten Speisen. Die süßliche Ästhetik ist indes mehr Kochmagazin als Clara Peters. 

  • OT: La passion de Dodin Bouffant 
  • Director: Anh Hung Tran
  • Screenplay: Anh Hung Tran
  • Country: France
  • Year: 2023
  • Running Time: 145 min. 
  • Cast: Juliette Binoche, Benoît Magimel, Pierre Gagnaire, Jean-Marc Roulot
  • Image © Gaumont
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