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Berlinale ’22 Encounters: “Incredible but true”

Berlinale ’22 Encounters: “Incredible but true”

Die filmischen Anreize, mit denen Quentin Dupieux das Publikum in seine Kuriositäten-Komödien lockt, basieren auf dem gleichen Prinzip wie die des listigen Immobilienmaklers (Stéphane Pezerat), der im jüngsten Werk des französischen Regisseurs einem mittelalten Pärchen ein Design-Anwesen in den Pariser Außenbezirken verkauft. Die Überraschung im Keller des Hauses, dessen Verkauf an Alain (Alain Chabat) und Marie (Léa Drucker) die augenzwinkernd vorausblickende Parallelinszenierung beider Einzugs und Einwohnens vorwegnimmt, wird im Kundengespräch maximal umständlich hinausgezögert.

Diese neckische Provokation durch verzögerte Befriedigung der Neugier des Publikums und der Protagonisten am betont unspektakulären Schauplatz ist nicht die einzige Situation, den die knapp 75 Minuten schnellen Story recycelt. Dupieux ist vernarrt in seine Gags, die stets dem selben Schema folgen. Diese Einförmigkeit wird umso anstrengender durch die altbackene Biederkeit eines Humors, der die Reproduktion xenophober, sexistischer und konservativer Klischees als feingeistige Gesellschaftskritik ausgibt. Und das Keller-Geheimnis? Ein Zeitportal-Jungbrunnen mit psychopathischen Nebenwirkungen. 

Das dämmert Alain, als Marie besessen von ihrer wiederkehrenden Jugend und einer zweiten Chance wird. Die inhärente Tragik ihrer Trauer über ein in liebloser Ehe versacktes Leben verhöhnt der zweigleisige Plot als typisch weibliche Eitelkeit. Männliches Pendant dazu ist Alain Boss Gérard (Benoît Magimel), der sich zwecks Potenz-Steigerung einen Hightech-Penis transplantieren lässt. Dass Versagensangst und Jugendwahn Symptome unerreichbarer gesellschaftlicher Ansprüche an Leistung, Aussehen, Gesundheit und Erfolg sein könnten, negiert die eindimensionale Fantasy-Farce.

Als filmischer Quickie zwischen Posse und Parabel versammelt Quentin Dupieuxs abgeschmackter Berlinale Special Eintrag die mittlerweile charakteristischen Mankos des Regisseurs. Kurz, aber wenig kurzweilig walzt seine Simplifizierung von Selbstoptimierung bei schwindender Jugend anderthalb absichtlich absurde Einfälle papierdünn platt. Die hämische Handlung ergeht sich in moralistischer Bestrafung zweier Figuren, die zwar keinerlei Einsicht in die psychologischen Hintergründe und komplexen Ursachen von Minderwertigkeitskomplexen und Selbstzweifel geben, dafür aber in ein irritierend kurzsichtiges Konzept von Sozialeinflüssen und Geschlechterrollen.

  • OT: Incroyable mais vrai
  • Director: Quentin Dupieux
  • Screenplay: Quentin Dupieux
  • Country: France, Belgium
  • Year: 2021
  • Running Time: 74 min. 
  • Cast: Roxane Arnal, Grégoire Bonnet, Alain Chabat, Anaïs Demoustier, Léa Drucker, Mikaël Halimi, Lena Lapres, Benoît Magimel, Pierre Alloggia, Marie-Christine Orry, Stéphane Pezerat
  • Release date: –
  • Image © Wild Bunch
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