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Berlinale ’22 Generation: “The Quiet Girl”

Berlinale ’22 Generation: “The Quiet Girl”

Schweigen und Stille prägen Colm Bairéads lyrisches Spielfilmdebüt mehr als die irische Sprache, die zu selten auf der internationalen Leinwand zu hören ist, und entfalten sich in den lyrischen Bildern in all ihrer emotionalen und allegorischen Vielfalt. Sprachlosigkeit scheint in der berückenden Adaption von Claire Keegans Kurzgeschichte „Foster“ oftmals weniger trotzige Verweigerung oder überhaupt bewusste Entscheidung als Ausdruck von Resignation und Hilflosigkeit gegenüber einem unzugänglichen Umfeld. Vor dem flüchtet die kindliche Protagonistin bei jeder Gelegenheit.

Die malerische Weite der irischen Landschaft liefert einen befreienden Kontrast zu der erstickenden Enge der düsteren, dreckigen Hütte, in der Cait (glänzend: Catherine Clinch) mit einem halben Dutzend Geschwistern haust. Als die Geburt des nächsten Kindes nahe rückt, schicken ihre physisch und finanziell überforderten Eltern sie zu einem kinderlosen Paar, unter dessen Zuneigung und Fürsorge das verstörte Mädchen sich zaghaft öffnet. Doch die häusliche Harmonie ist so fragile wie Caits Befreiung aus ihrem inneren Exil.

Die stumme Trauer ihrer Pflegeeltern Eibhlín (Carrie Crowley) und Sean (Andrew Bennett) über ihren verstorbenen Sohn spiegelt Caits Trauer um das Kind, das sie daheim nicht sein kann. Das ruhig beobachtende Kameraauge widmet sich ganz der aufblühenden Beziehung zwischen dem zentralen Figuren-Trio und gibt den Blick nur im Hintergrund frei auf die grundverschiedenen häuslichen Milieus. Deren konfessioneller Hintergrund bleibt genauso vage wie die sozialpsychologische Grundlage der zärtlichen Novelle über die emotionale Wahrhaftigkeit von Wahlverwandtschaft. 

Imaginative Szenen voll versteckter Details übersetzen die bildhafte Prosa Claire Keegans preisgekrönter Kurzgeschichte in eine anrührende Studie kindlicher Zurückgezogenheit. Deren Auslöser offenbaren sich in flüchtigen Eindrücken, deren Emotionalität nie in Kitsch abfällt. Schritt für Schritt führt Colm Bairéads nuanciertes Debüt in die verschlossene Welt der kleinen Hauptfigur, deren Gedanken und Gefühle sich in ihrer Umwelt spiegeln. Das einfühlsame Schauspiel und der träumerische Soundtrack tragen eine Vision brüchiger Verbundenheit, auf die der schatten schmerzlichen Verlusts fällt.

  • OT: An Cailín Ciúin
  • Director: Colm Bairéad
  • Screenplay: Colm Bairéad, Claire Keegan
  • Country: Ireland
  • Year: 2022
  • Running Time: 95 min. 
  • Cast: Catherine Clinch, Carrie Crowley, Andrew Bennett, Catherine Clinch, Michael Patric, Kate Nic Chonaonaigh, Carolyn Bracken, Joan Sheehy
  • Release date: –
  • Image © Inscéal
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