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Wes Andersons “Isle of Dogs” eröffnet die Berlinale

Wes Andersons “Isle of Dogs” eröffnet die Berlinale

Der filmische Kosmos Wes Andersons gehorchte von jeher dem Prinzip Style vor Story. Dass die Balance von dramaturgischer und visueller Komplexität aus dem Gleichgewicht ein beständiger Kampf für den verspielten Filmemacher ist, zeigte sich in der Vergangenheit schon deutlich an Grand Budapest Hotel und The Fantastic Mr. Fox. Zweiter markierte Andersons schöpferische Immersion in das Trickfilm-Genre und die Geburtsstunde von Isle of Dogs. Der Stop-Motion-Fabel fehlt das solide narrative Fundament einer Buchvorlage, wie sie Andersons erster Animationsfilm noch besaß, und der Drehbuchautor und seine regulären Co-Storyautoren Jason Schwartzman und Roman Coppola sind zu vernarrt in die erzählerische Prämisse, um deren Beschränkungen zu erkennen. Das ist die euphemistische Interpretation.

Die näherliegende Auslegung ist, dass der Mangel an abgerundeten Charakteren und inhaltlichem Gewicht die eigentliche Stärke des detailverliebten Kinderabenteuers ist – nicht auf dramatischer Ebene sondern auf kommerzieller. Trotz des japanischen Settings und Andersons Angaben, sein jüngstes Werk sei vom Schaffen Akira Kurosawas inspiriert, wirkt die Quintessenz des Films wie eines der populärsten und etabliertesten US-amerikanischen Klischees: ein Junge und sein Hund. Nicht „ein Mensch und ein Hunde“ oder „ein Kind und ein Hund“, sondern „ein Junge und sein Hund“. Hunde liebten kleine Jungs, sagt einer der Hunde von Trash Island. Mit Mädchen gilt diese naturgegebene Zuneigung wohl nicht. Die zwei relevanten weiblichen Nebenfiguren werden allein über ihre Attraktivität definiert.

Der Junge ist Atari (Koyu Rankin), der Hund ist zuerst Spots (Liev Schreiber) und dann ein neuer Kandidat für dessen Posten als Ataris Leibwächterhund. Welcher der vierbeinigen Protagonisten, die für eine beiläufige Dosis Buddy-Comedy angepfiffen werden, dem kindlichen Helden zukünftig zur Seite stehen wird, ist ebenso vorhersehbar wie ernüchternd. Der mit einem Arsenal exklusiver Gadgets ausgestattete Adoptivsohn des korrupten Bürgermeisters Kobayashi vertritt jene wohlhabenden Gesellschaftsschichten, die sich einen perfekt trainierten Gefährten wie Spots leisten können. Den Hunden liegt Gehorsam im Blut und ihre Bestimmung ist es, Menschen zu gehören. Das erkennt auch Chief (Bryan Cranston), dessen Abkehr von der Freiheit die einzige Charakterentwicklung bleibt. Ein bedrückend konservativer Grundton.

Tiere sind dazu geschaffen, des Menschen Untertan zu sein … Männchen sind geborene Anführer, Weibchen sind „sugar and spice and everything nice“ … Helden wachsen nicht zu solchen, sondern sind als Helden geboren … Demokratischer Abstimmung ist riskant, einem Leittier zu folgen besser …

Was ist nur aus der rebellischen Wildheit von Mr. Fox geworden?

Für die Augen ist Wes Andersons gefälliger Familienfilm ein Fest. Die Puppentrick-Animationen sind übervoll von versteckten und überdeutlichen Referenzen, sowohl auf Kino als auch auf Pop-Kultur. Jede Szene ist ein kleines Kunstwerk, spannender als die dünne Story und interessanter als die flachen Charaktere. Letzten fehlt es an Persönlichkeit, um den prominenten Sprechern Material zu geben. Der sich von Andersons bisherigen Werken abhebende patriarchalische Unterton tut ein Übriges, um den Unterhaltungswert des holprigen Heldenmärchens zu unterminieren.

  • OT: Isle of Dogs
  • Regie: Wes Anderson
  • Drehbuch: Wes Anderson
  • Produktionsland: UK, Deutschland
  • Jahr: 2018
  • Laufzeit: 101 min.
  • Cast: Scarlett Johansson, Bryan Cranston, Liev Schreiber, Tilda Swinton, Bill Murray, Edward Norton, Greta Gerwig, Kara Hayward, Jeff Goldblum, Fisher Stevens, Frances McDormand, Harvey Keitel, F. Murray Abraham, Ken Watanabe
  • Beitragsbild © Berlinale
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