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Berlinale ’19: “Miracle of the Sargasso Sea”

Berlinale ’19: “Miracle of the Sargasso Sea”

Das essenzielle Problem von Syllas Tzoumerkas’ drittem Langspielfilm ist sein brüskes Desinteresse an den Protagonisten, ihren Beweggründen und Ambitionen. Menschen sind in dem formal wie narrativ gleichermaßen unterentwickelten Provinzthriller nur ein Mittel zum Zweck. Der ist das Generieren von Abscheu und Verachtung, durchsetzt mit den wohlfeilen Schocks, von denen bereits das Pressematerial fabuliert. Aber Ekel ist nunmal nicht Spannung und unerwartete Wendungen garantieren keinen interessanten Plot. Der des grobschlächtigen Krimis kreist um ein hohles Zentrum, das eigentlich das schlagende Herz der Story sein sollte. Doch Empathie ist Mangelware in der reißerischen Nomenklatur kaputter Existenzen. 

Zwei davon sind Rita (Youla Boudali) und Elizabeth (Angeliki Papoulia), erste die korrupte, verbitterte Polizeichefin des heruntergekommenen Kaffs Mesolongi, zweite eine perverse, psychopathische Arbeiterin in einer der Aalzuchten, die den Ort wirtschaftlich definieren. Beide kennen einander weder vom Sehen, noch Hörensagen, was unter den Bewohnern des eingegrenzten Schauplatzes die Ausnahme ist. Trotzdem behauptet der Regisseur zwischen ihnen eine tiefe seelische Verbundenheit, weil …Tja, warum eigentlich? Weil Frauen dieses emotionale Ding haben, diese Sache mit der Intuition und so? Oder, weil Frauen zusammenhalten, jedenfalls dann, wenn sie so abgewrackt sind wie die beiden jämmerlichen Antiheldinnen?

Die geben nebenbei ein hübsches Gegensatzpaar ab, direkt aus dem Katalog von Männern geprägter Filmklischees. Elisabeth ist die toughe, eiskalte Blondine, Rita die mysteriöse, tiefgründige Brünette. Das war’s dann mit Charakterisierung, denn für die weiblichen Knalltüten interessiert sich Tzoumerkas noch weniger als männliche. Letzte sind immerhin nicht gerade Charmebolzen: allesamt verlogen, korrupt und feige. Vor allem sind sie wild auf kranke Sexorgien, eine bizarre Parallele zur Inszenierung, die sich an Amateurpornos kaum sattsehen kann. Dank der soliden Darstellerinnen ist die mit moralisch und physisch abstoßenden Individuen bevölkerte Geschichte aber erträglich – bloß nicht 121 Minuten lang.

Ein Haufen schmieriger, korrupter Individuen schikaniert, manipuliert und attackiert einander und ertrinkt danach in Selbstmitleid und Alkohol. Wenn nebenher noch Zeit ist, treffen sich die Provinz-Porno-Pappnasen zum Gruppensex und einer hält die Kamera drauf. Außer dem zum Opfer eines aberwitzigen Mordes prädestinierten Protagonisten tut das auch Syllas Tzoumerkas. Der Regisseur zelebriert in seinem zähen Krimi provinzielle Amoral und Abscheulichkeit, ohne ausreichend Zeit auf Charakterentwicklung und Handlungsaufbau zu verwenden. Entsprechend implausibel und unmotiviert wirkt die Story, der garantiert das Werbeprädikat „über starke Frauen“ aufgedrückt wird. Immerhin kommen zwei Frauen vor, die trinken und fluchen – reicht doch, oder?

  • OT: To thávma tis thálassas ton Sargassón
  • Regie: Syllas Tzoumerkas
  • Drehbuch: Youla Boudali, Syllas Tzoumerkas
  • Produktionsland: Griechenland, Deutschland, Niederlande, Schweden
  • Jahr: 2019
  • Laufzeit: 121 min. 
  • Cast: Angeliki Papoulia, Youla Boudali, Hristos Passalis, Argyris Xafis, Thanasis Dovris, Laertis Malkotsis, Maria Filini, Michalis Kimonas, Christian Culbida, Thanos Tokakis
  • Beitragsbild © Berlinale / Real Fiction
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