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Berlinale ’11: Mädchen + Grundschulliebe = Hysterie (fehl)kalkuliert “Jørgen + Anne = Sant”

Berlinale ’11: Mädchen + Grundschulliebe = Hysterie (fehl)kalkuliert “Jørgen + Anne = Sant”

Anne liebt die Geistergeschichte über das unheimliche Helga Haus in ihrer Straße, auf Bäume Klettern und Raufen. Am allermeisten aber liebt sie Jorgen. In ihrem Alter kann man nicht verliebt sein, sagen ihre Mutter und Annes großer Bruder. Dabei ist Anne nicht mehr 9, sondern schon 9 ½ und gut in Grammatik muss sie nicht sein, um die Bedeutung der simplen Titelgleichung zu verstehen. Die wilde Heldin von Anne Sewitzkys ambivalenter Kinderromanze ist auch wild entschlossen: Den angehimmelten neuen Mitschüler darf Konkurrentin Ellen (Vilde Frederiksen Verlo) nicht kriegen! Doch so einfach wie Mathe geht die amouröse Rechnung nicht auf.

Wenn man verliebt ist, ist alles erlaubt, meint Anne. Das hat sie von ihrer besten Freundin Beate (Aurora Bach Rodal) gelernt, die das wiederum von Emily Brontë missverstanden hat. Nicht nur das stereotype Konzept der Drehbuchautorin Kamilla Krogsven von „typisch mädchenhafter“ Dummheit und Übermemotionalität ist der Horror. Blut tropft aus der Wand, ein junges Mädchen ertränkt sich und ein ausgestopftes Rehkitz liegt auf einem Beistelltisch. Ein Geist geht um im unheimlichen Nachbarhaus und ein anderer scheint in Anne zu fahren, als sie Ellen mit der Schere zu Leibe rückt. Früh übt sich, was mal eine Hysterikerin werden will. Die Schauermotive sollen einen Spannungskontrast zu der überzogenen Verknalltheit setzen, fügen sich jedoch mit ihrem ernsthaften Grundton nie in das Gesamtbild der seichten Liebeskomödien ein. 

Der Einfallsreichtum, den Anne und Beate beim Kampf gegen Ellen an den Tag legen, wird relativiert durch dessen Motivation. Alles für einen Jungen, der nie genug Profil bekommt, um die absurden Emotionen nachvollziehbar zu machen. Die Figuren aus Vigdis Hjorths Kinderbuch, das in Norwegen Bestseller wurde, können sich nie aus dem Schema einer verzerrten Erwachsenenperspektive lösen. Die überbehütete Filmwelt ist von der Realität so weit entfernt wie die Protagonistinnen von glaubhaften Charakteren. Statt sich in junge Menschen hineinzuversetzen, kaut die Handlung ihnen Vorurteile und Stereotypen aus den Seifenopern für ein erwachsenes Zielpublikum vor, damit sie sich schon Mal an den faden Geschmack gewöhnen. Liebe kommt da nicht auf, eher anderes wieder hoch.  

  • OT: Jorgen + Anne = Sant 
  • Regie: Anne Sewitzky
  • Drehbuch: Kamilla Krogsven 
  • Produktionsland: Norwegen, Deutschland
  • Produktionsjahr: 2010 
  • Länge: 80 min.
  • Cast: Maria Annette Tandero Berglyd, Aurora Bach Rodal, Vilde Frederiksen Verlo, Otto Garli
  • Beitragsbild © Berlinale
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