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Berlinale ’10: On the Beach mit Ruiz Navias „Crab Trap“

Berlinale ’10: On the Beach mit Ruiz Navias „Crab Trap“

La Barra ist einer der entlegensten und einsamsten Orte Kolumbiens, halb Paradies, halb Hölle. Seine Bewohner haben kein Geld und kaum Hoffnung auf ein besseres Leben. Manche scheinen eine fast mystische Gebundenheit an den Strand zu spüren. Oscar Ruiz Navia inszeniert seine karge Parabel über ethnische und soziale Konflikte in der spröden Küstenlandschaft. In ahnungsvollen Bildern umreist sein Kinodebüt eine existenzialistische Suche ohne klares Ziel. Der angereiste Arbeiter Daniel (Rodrigo Vélez) ist der zweite der beiden weißen Fremden in der monotonen Einöde, dessen Grenzen die Kamera nie überbrückt. Der Schauplatz ist eine Falle, nicht nur für Krebse.

Immerzu dröhnt derselbe Rap-Song aus der Stereo-Anlage eines notdürftigen Hotels, welches dessen Eigentümer Paisa zum Touristenressort ausbauen will. Er war der erste Weiße hier, ein ausbeuterischer Besatzer, der das Land der Einheimischen als sein Eigentum betrachtet. Die Natur, die Frauen La Barras, selbst die kleine Lucia, deren wache Augen das Geschehen verfolgen – alles will er besitzen und für sich ausnutzen. Daniel ist Paisas Gegenpol. Während die Einheimische für Paisa arbeiten, sammelt Daniel für den ansäßigen Cerebro in einer vergeblichen Naturschutzmission den Abfall am Strand. Paisa redet viel und laut, Daniel schweigt. Er sehnt sich nach einem Boot.

Paisa hingegen ist seine eigenen Unzugehörigkeit zu begreifen. Brüche und Konflikte mustern die narrative Topographie: zwischen Alt und Jung, Fremden und Einwohnern, ursprünglicher Natur und urbaner Moderne. Unterdrückte Gewalt lauert in der erdrückenden Perspektivlosigkeit, die Alkohol und Tagträume betäuben. Über allem schwebt unheilvoll die Gewalt der militärischen Konflikte, die gleich dem stupiden Rhythmus aus der Stereoanlage tönt. Die herbe Schönheit von Urwald und Küste erschaffen einen trägen Sog, der nicht nur die Protagonisten an diesem tristen Ort hält. Ruiz Navia fängt eine bizarre Vision zwischen Realität und düsterer Ahnung auf die Leinwand ein und gleichsam das Publikum.

  • OT: El vuelco del cangrejo
  • Regie: Oscar Ruiz Navia
  • Drehbuch: Oscar Ruiz Navia
  • Produktionsland: Kolumbien, Frankreich
  • Jahr: 2009
  • Laufzeit: 96 min.
  • Cast: Karent Hinestroza, Rodrigo Velez, Arnobio Salazar Rivas, Miguel Valoy, Jaime Andres Castano, Yisela Alvarez, Israel Rivas
  • Beitragsbild © Berlinale