#movie #review #cinema #critic #film #festival #podcast

Barnum-Effect: “The Greatest Showman”

Barnum-Effect: “The Greatest Showman”

P.T. Barnums Leben liefert ausreichend Stoff für Dutzende Filme, aber keiner wäre die seichte Hagiographie, mit der Fox das Kinopublikum einlullt. Der US-Starttermin ist perfekt getimet zur weihnachtlichen Hochkonjunktur von Kitsch, Kommerz und Humbug. Deren Quintessenz ist das süßliche Musical, das mit dem Leben und der Persona des echten Barnum etwa so viel zu tun hat wie ein Charles-Dickens-Roman. Einem solchen entsprang offenbar der Handlungsauftakt, der den jungen Barnum (Ellis Rubin) bitterarm mit Großen Erwartungen zeigt. Damit das ausstaffierte Rags-to-Riches-Klischee perfekt ist, trägt der Junge sogar kaputte Schuhe. Die sind in der nächsten Szene plötzlich wieder ganz: eine Form der Problembehebung, welcher sich die dünne Story öfter bedient.

Mit Schuhen kann so ein Anschlussfehler mal passieren? Das Tanzspektakel deplatziert auch Elefanten. Der eigentliche elephant in the room ist jedoch die hemmungslose Ikonodulie gegenüber dem Titelcharakter (Hugh Jackman), dessen Karriere genauso untrennbar mit geschäftsfördernden Innovationen und Sensationen verbunden war wie mit Ausbeutung und Erniedrigung von Menschen und Tieren. Beides war quasi ein Synonym für das Zirkusunternehmen Barnum & Bailey’s, dessen Eröffnung als grandioses Happy End orchestriert wird. Den Beginn von über ein Jahrhundert währender Tierquälerei derart zu glorifizieren ist ähnlich fragwürdig wie die idealisierte Darstellung der Arbeitsbedingungen in Barnums Zirkus. Drehbuchautoren-Duo Jenny Bicks und Bill Condon dachte augenscheinlich ähnlich wie der Hauptprotagonist: Die Leute wollen belogen werden.

Barnums Marketingkalkül wird zu Toleranz und Philanthropie verklärt. Die Bigotterie dahinter können selbst die schmalzigen Songs nicht übertönen. In den Musiknummern der Zirkusdarsteller ist Sam Humphrey als Charles Stratton der einzige physisch Außergewöhnliche. Die übrigen Freaks sind Fake, wie die Romanze mit Jenny Lind (Anne Hathaway), die Liebe zwischen Barnums Teilhaber Carlyle (Zac Efron) und einer dunkelhäutigen Artistin (Zendaya), die Animosität mit Zeitungsherausgeber James Gordon Bennet und ethische Skrupel. Echt ist lediglich die Verlogenheit der bombastischen Produktion. Letzte inszenierte Werbefilmer Michael Gracey im aseptischen Chic einer Hochglanz-Reklame: für die Massenmanipulation, Pop-Populismus und giergetriebene Galionsfiguren. Wie sagte Donald Trump? „Wir brauchen ein bisschen P.T. Barnum“ Na dann: Vorhang auf.

  • Beitragsbild © Fox