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“First Position” zeigt Traumtänzer auf dem Weg zur Spitzenposition

“First Position” zeigt Traumtänzer auf dem Weg zur Spitzenposition

Blut, Schweiß und Tränen – aber auch die unendliche Freude, genau das zu tun, was man wirklich liebt.

Presseheft

Der Titel der Tanz-Reportage bezeichnet die Grundhaltung beim Ballett, der zitierte Satz die des Pressehefts. Noch euphemistischer als dessen Blick ist der von Bess Kargmans Debütfilm auf einen der bedeutendsten Nachwuchs-Ballettwettbewerbe. Blut sieht man an keinem der Fußpaare, die herausfordernde Figuren mit komplizierten französischen Namen trainieren, und auch keinen Schweiß auf der Stirn, die jedes der flüchtig porträtierten Talente im Alter von 10 bis 17 Jahren der Konkurrenz bietet. Dafür Tränen, Tränen vor allem aus Freude. „Unendliche Freude“, deren Inszenierung mehr interessiert als die Protagonisten. 

Lächeln, lächeln! Immer lächeln!“, ermahnt die Mutter der Finalistin Miko ihre12-jährige Tochter. Diese Regel hat die Regisseurin, die selbst bis zum 14. Lebensjahr Ballett tanzte, auch bei ihrem Kinodebüt verinnerlicht. Wenige Menschen wüssten, welchen Preis der Körper zahlt, meint Kargman. Daran, dass es mehr werden, ist ihr offenbar nicht gelegen. „Sie sah einfach glücklich aus“, schwärmt die 14-jährige Michaela vom Bild einer Ballerina, das sie als Kind sah. Damals lebte sie in Sierra Leone im Waisenheim, von wo sie ihre Adoptiveltern in die USA holten. Die Rettung und Michaelas Streben nach dem erinnerten Ballerina-Ideal sind wie geschaffen für sentimentale Real-Life-Stories, die Kargman lieber erzählt, als die von frustrierender Aussortierung, Erschöpfung und Aufgeben. Was das Harmoniebild stört, wie Michaelas traumatische Erinnerungen an Kriegsgräuel, ertränkt der überemotionale Soundtrack. Er übertönt die musikalischen Themen, zu denen die Teilnehmer des Youth American Grand Prix irritierend erwachsene Variationen tanzen. Eine aufdringliche Metapher des Kitsch, der harschere Themenaspekte verdrängt. 

Klischees wolle sie „aufsprengen“, behauptet die Regisseurin, „denn nicht alle dünnen Ballerinen sind magersüchtig, nicht alle männlichen Balletttänzer sind schwul und nicht alle Bühnenmütter sind wahnsinnig.“ Hat das irgendwer je ernstlich angenommen? Falls ja, könnten jene spärlichen intellektuellen Gewinn aus der ambivalenten Doku ziehen. Den Übrigen bleibt ein schematischer Essay, der Probleme wegschiebt oder schönfärbt. Die Überambitionen von Mikos Mutter sind schlimmstenfalls ulkig. Wenn andere Eltern die enormen Ausgaben und Anstrengungen für die Ballettausbildung vor ihren Kinder auflisten, in einem Atemzug mit der Hoffnung, dass sich das Ganze „auszahle“, gilt dies als Fürsorge. Der systematische Erfolgsdruck wird ebenso systematisch verklärt. Jährlich biete der zu den weltgrößten Ballett-Wettbewerben zählende Youth American Grand Prix mit Stipendien im Wert von 250.000 Dollar, Auszeichnungen und Verträge mit den international renommiertesten Kompanien „eine einzigartige Chance für junge, begeisterte Tänzer ihren Traum zu leben“ – einigen wenigen Auserwählten von rund 5000 Kandidaten. 

Die 0,1 Prozent aus First Position gehören dazu. Manchmal ist das Leben wie die Mini-Playback-Show, an die der filmische Fauxpas erinnert: „Alle waren Sieger, auch wenn einer nur gewinnen kann.“ Wer das im Profitanz einmal sein wird, interessiert hier kaum. Dank des gesicherten finanziellen Status, der ungewollt als erste und für viele Begabte unüberwindliche Hürde zur Tanzkarriere hervorsticht, scheint die Zukunft aller Protagonisten in strahlendem Licht. Dass es nicht immer Rampenlicht ist, tragen sie sicher mit der Ausgeglichenheit, die ein Trainerin lobt: „Sie ging sehr reif damit um. Sie schnitt sich nicht hinter der Bühne die Pulsadern auf.

  • Beitragsbild © Ascot Elite
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